2016-03-31

Pressemitteilung - Wohn- und Betreuungsdurchführungsverordnung

Hamburgische Pflegegesellschaft bedauert den Erlass der Wohn- und Betreuungsdurchführungsverordnung in dieser Form

Der Hamburger Senat hat die „Wohn- und Betreuungsdurchführungsverordnung – WBDurchfVO" zum 01.04.2016 in Kraft gesetzt.

Hamburg will sich als bundesweiter „Vorreiter" bei der Veröffentlichung von Prüfergebnissen bei stationären Einrichtungen der Pflege und Behindertenhilfe sowie bei ambulanten Diensten auf Kosten neuer und teurer bürokratischer Anforderungen profilieren.

Dem Erlass dieser WBDurchfVO ist eine langwierige und auseinandersetzungsträchtige Vorgeschichte vorausgegangen. Zuletzt hatte die zuständige Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz Ende Oktober 2015 einen überarbeiteten Verordnungsentwurf herausgegeben. Verschiedene städtische Akteure hatten im November 2015 die Gelegenheit, zum Verordnungsentwurf mit seinen damals 178 Prüfkriterien, schriftlich und mündlich Stellung zu nehmen.

Die jetzt vom Senat erlassene Verordnung ist zwar um einige redaktionelle Unklarheiten sowie rechtlich völlig fragwürdige Instrumente (externe Mitarbeiterbefragung mit Ergebnisveröffentlichung im Internet) bereinigt worden, der Gesamttenor des Prüfansatzes ist allerdings bedauernswerter Weise unverändert geblieben!

Weiterhin bleiben bei Anforderungen an die Dienste teilweise unklar:

Beispiel: Prüfkriterium 1.1.2.6. „Die Betreuungskräfte aktivieren und motivieren situativ die Nutzerinnen und Nutzer (…)." Unklar bleibt, wie situative Handlungen des pflegerischen Alltags geprüft werden sollen.

Ebenso werden weiterhin neue Leistungen kreiert, die leistungsrechtlich nicht vereinbart sind und nicht bezahlt werden.

Dazu gehört die Sicherstellung (Prüfkriterium 1.3.1.3) individueller Außenaktivitäten der Nutzerinnen und Nutzer von Pflegeheimen (z.B. Teilnahme an Familienfeiern) oder zusätzliche Fortbildungsverpflichtungen für Pflegekräfte (Prüfkriterium 1.4.3.1).

Und weiterhin dreht der vorliegende Prüfansatz das Rad der Geschichte zur Entbürokratisierung der Pflegedokumentation wieder zurück. Nur durch eine kleinteilige und ausgeweitete Dokumentation können Handlungsbelege der Einrichtungen erzeugt werden.

Martin Sielaff, Geschäftsführer der Hamburgischen Pflegegesellschaft, erklärt dazu:

„Um den Anforderungen dieser Verordnung Rechnung zu tragen und keine Mängelfeststellung zu riskieren, werden die Einrichtungen wieder gezwungen, ihre Pflegekräfte mehr dokumentieren zu lassen um möglichst kleinteilig Belege für die Prüferinnen und Prüfer bereit zu halten.

Diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen für die vermehrte Dokumentationsarbeit aus der unmittelbaren Pflege- und Betreuungsarbeit abgezogen werden. Die Einrichtungsbetreiber müssen diese Dokumentation bezahlten. Hamburgweit rechnet die HPG – nur bei stationären Pflegeeinrichtungen – mit Mehrkosten in Höhe von ca. 11 Millionen Euro."

Die Verlautbarung des Senats stellt die Realität auf den Kopf. Angeblich trage es zur Entbürokratisierung bei, dass Betreiber von Einrichtungen vor allem am Ergebnis und weniger an der Dokumentation ihrer Leistungen gemessen werden. (bgv29 v. 29.03.2016). Bei personellen Dienstleistungen, die sowohl in der ambulanten als auch der stationären Pflege erbracht werden, ist allerdings die Messung und Darstellung der Ergebnisqualität auch aus wissenschaftlicher Sicht ein äußerst schwieriges Unterfangen.

Entsprechend willkürlich hat der Verordnungsgeber darüber hinaus acht sogenannte verbraucherrelevante Prüfkriterien (§ 17 Abs. 2) festgelegt, die künftig als Prüfergebnis veröffentlicht werden sollen. Die Behörde führt für die Veröffentlichung ihrer Prüfergebnisse einzelne Prüffelder zusammen, um Einrichtungen an einem standardisierten, vorformulierten Ergebnis zu messen.

Von Senatsseite wird des Weiteren hervorgehoben, dass im Gegensatz zu den MDK-Prüfungen der Pflegekassen durch die bezirkliche Wohn-Pflege-Aufsicht keine Noten vergeben werden. Zwar nennt der Senat seine Noten - vermeintlich modern - anders, nämlich „Entwicklungsgrade". Zu einer Notengebung macht es aber keinen Unterschied, ob es „Ziel erreicht, überwiegend erreicht, ansatzweise erreicht oder nicht erreicht" heißt.

Ein weiterer wesentlicher Unterschied zur MDK-Prüfung sind allerdings die dortigen klaren und transparenten Prüfkriterien, auf die sich jede Einrichtung auch wirklich einstellen kann.

Weiter erklärt Sielaff:

„Wir fordern den Senat auf, die Verordnung und damit auch den Prüfansatz grundsätzlich zu überarbeiten. Wir wollen vermeiden, dass die Auseinandersetzungen mit den Wohn-Pflege-Aufsichten bei Meinungsverschiedenheiten über die Prüfungsergebnisse als nächstes vor den Gerichten ausgetragen werden, was die zwangsläufige Folge sein wird. Die Einrichtungen möchten sich um ihre Bewohner und ihre ambulanten Pflegekunden kümmern!

Einen Hoffnungsschimmer gibt es jedoch: Scheinbar traut der Senat seiner eigenen Verordnung auch nicht so ganz über den Weg. Obwohl jedes Jahr ein neuer Prüfschwerpunkt (von vier) hamburgweit festgelegt wird, hat der Senat bestimmt, dass die Verordnung am 30.09.2017, also schon 18 Monate nach ihrem Inkrafttreten, wieder außer Kraft gesetzt wird. Schade, dass diese Monate nicht, statt ein unausgegorenes Prüfwesen zu etablieren, für die grundsätzliche Überarbeitung genutzt werden."

Weitere Informationen zur Prüf- bzw. jetzt Wohn- und Betreuungsdurchführungsverordnung finden Sie auf der Homepage der Hamburgischen Pflegegesellschaft unter:

http://www.hpg-ev.de/cmsdetail.aspx?ID=5000

http://www.hpg-ev.de/cmsdetail.aspx?ID=4973

Die Hamburgische Pflegegesellschaft (HPG) ist eine Arbeitsgemeinschaft von Trägerverbänden, die in Hamburg im Bereich der ambulanten, teilstationären und stationären Pflege arbeiten.

Mitglieder sind: die Arbeiterwohlfahrt, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., der Caritasverband, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rotes Kreuz, das Diakonische Werk, der Zentralverband Hamburger Pflegedienste e.V.

Für Rückfragen:

Hamburgische Pflegegesellschaft e.V.

E-Mail: hpg@hpg-ev.de

Tel. +49 (0)40 2380 8788